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Therapeutenwechsel

Dieser Text steht exemplarisch für viele Menschen, Männer und Frauen, und beschreibt keinen konkreten Fall! Ein Therapeutinnenwechsel kann in manchen Fällen durchaus sinnvoll und hilfreich sein. Das möchte ich hier ganz klar sagen. Es sollte nur immer ganz genau hingeschaut werden, was der Grund für den Therapeutinnenwechsel ist und ob es dem Prozess der Klient*in wahrhaft dienen kann.

Benennen was ist - ein wesentliches Learning in der Psychotherapie

"Dinah, ich habe mir jetzt eine andere Therapeutin gesucht. Ich komme erstmal nicht mehr zu Dir. Ich probiere jetzt was anderes aus."

 

Manchmal höre ich diesen Satz von Klient*innen, nachdem sie schon relativ lang und sogar manchmal echt tief, intensiv und sehr vertrauensvoll mit mir gearbeitet haben. Und diese Menschen ehre ich zutiefst, denn sie sind NICHT einfach so weggeblieben, wenn es ernst wird.

 

Sie sind ehrlich und haben bereits gelernt, zu benennen, was gerade da ist! DAS IST AN SICH SCHON EIN RIESEN THERAPIEERFOLG! Daran haben wir in der Regel lang und intensiv gearbeitet. Und es lohnt sich, genauer hinzuschauen, ob ein Therapeutenwechsel an dieser Stelle tatsächlich sinnvoll sein kann.

Ablenkungen vom Innen im Außen

Mit dieser aufrichtigen Ansage der Klient*in können wir also weiter in ihren Prozess einsteigen. Ein mega Schritt in der persönlichen Entwicklung. Ich ehre das so sehr.

 

In den vergangenen Sitzungen kamen immer wieder Ablenkungen im Außen hinzu. Der Hund wird mit in die Praxis gebracht, die Klient*in ist heute sehr müde und kann schlecht folgen. Die Arbeit oder herausfordernde Beziehungen stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. 


Es bleibt in unseren Sitzungen an der Oberfläche. Und das ist vollkommen ok so. Alles ist gut und richtig, wie es HIER & JETZT gerade ist.

Hier geht es ums Erwachsenwerden, um Verantwortung

Was ist da also plötzlich passiert? Warum wünscht sich die Klient*in einen Therapeutinnenwechsel? Bei Klient*innen, die sehr, sehr schmerzhafte Erfahrungen in ihrem Leben gemacht haben, kann es unheimlich angstbesetzt sein, sich in der Psychotherapie den Schatten, den Verletzungen in der Tiefe zu stellen. Dort wirklich hinzufühlen, um dann in den Prozess der Heilung gehen zu können kann wirklich sehr herausfordernd sein und benötigt ein hohes Maß an Bereitschaft und Verantwortungsgefühl.

Der Teufelskreis: Schutz - Frust - Schutz - Frust

Je tiefer es also in der psychotherapeutischen Arbeit Schicht für Schicht geht, desto brenzliger wird es. Das Unterbewusstsein wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, wirklich in die Tiefe zu tauchen. Und das ist ebenfalls gut so. Denn dies ist ein wichtiger Schutzmechanismus der Psyche, der der Klient*in als Kind einmal gedient hat, um das Traumatische zu überleben.

 

Heute aber blockiert und behindert dieser Schutzmechanismus die Person am freien und hingebungsvollen Leben. Dies verursacht häufig wiederum großen Schmerz und Frust. Die damalige Verletzungen wird quasi wie in Dauerschleife unbewusst durch destruktive, giftige Beziehungen und Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht wiederholt.

Der Kopf ist bereit, das Herz macht dicht

Die Klient*in ist irritiert darüber, dass ich ihr in den vergangenen Sitzungen nicht vorgegeben habe, wie es in der Therapie weitergeht. Dass ich nicht von mir aus weitere Schritte z. B. in die tiefe Körperarbeit mit ihr gehe. Sie erhofft sich von mir, dass ich die Regie übernehme, damit es tief geht. Denn vom Verstand her weiß sie, dass das wichtig wäre. Der Kopf ist also bereit und das Herz macht dicht.

Therapie braucht keine Brechstange

Ich gehe immer mit dem, was JETZT bei der Klient*in ist. Ich schwinge ganz fein mit ihr. Ich fühle mich ein und gehe Schritt für Schritt in ihrem Tempo ihren Prozess.

 

Ich hole niemals die Brechstange heraus und hebele die Seelen meiner Klient*innen auf, indem ich vorgebe, was sie zu tun oder zu fühlen hat. Nein, das tue ich nicht. Das wäre zutiefst manipulativ und übergriffig.

 

Im richtigen Moment das Gefühlte mit verschiedenen therapeutischen Techniken etwas zu verstärken ist verantwortungsvoll und dient der Entwicklung.


Brechstange geht nicht. Genau das hat die Klient*in ja in ihrer Kindheit erlebt und deswegen sitzt sie heute hier bei mir in der Therapie.

Häufiger Therapeutenwechsel

Die Klient*in wechselt also zu einer anderen Therapeutin. Sie machte vor der Therapie bei mir bereits über zwanzig Jahre die verschiedensten Therapien. Sie betreibt auf der inständigen Suche nach "Erlösung" unbewusst "Therapeuten-Hopping", verhindert damit aber genau das - die Auflösung ihrer Schattenthemen, die Heilung ihrer tiefen Wunden. Zu groß ist die Angst vor dem, was da tief verborgen liegt.

Aussteigen, wenn es ernst wird

Die nächste Therapeutin wird dann vermutlich wieder ganz sanft mit ihr anfangen. Von vorne quasi. Und die Klient*in wird sich, wenn es dort ans Eingemachte geht, wahrscheinlich wieder eine neue Therapeutin mit einem anderen Verfahren suchen. Und so weiter.

Durch ihr beherztes Benennen, was ist, hat die Klient*in nun die Chance, tiefer einzusteigen. Sie hat sich und ihr Muster erkannt, indem wir die letzte Stunde nutzten, diesen Teufelskreis des "Abhauens, wenn es ernst wird" (was sich übrigens auch als Muster in anderen Beziehungen immer wieder zeigt), beleuchteten.

Das Bewusstsein weitet sich

Dadurch steigt sie in eine neue Bewusstseinsebene auf. Sie wird reifer. Ihre Persönlichkeit kann sich ein Stück weiter entwickeln hin zu einem erwachsenen, gesunden Verhalten. So hat sie die Möglichkeit, Stück für Stück selbstbewusster, selbstbestimmter und freier zu werden, weshalb sie sich ja auch psychotherapeutisch begleiten lässt.

Im Feuer des Schmerzes

Sie wird nun die neue Therapeutin ausprobieren und sehr wachsam dabei sein, an welcher Stelle sie beginnt, auszusteigen. Und vielleicht wird sie diesmal im Feuer ihres Schmerzes stehen bleiben. Das wünsche ich ihr von ganzem Herzen.

 

Möge jede Frau eine tiefe Heilung ihrer weiblichen Wunde erfahren und dabei mit sehr viel Feingefühl begleitet werden. Es gibt viele Wege dorthin. Und jede Frau darf sich ihren ganz eigenen Weg suchen. Hauptsache, sie geht weiter, denn ein freies und glückliches Leben ist ihr Geburtsrecht und die Welt braucht jede Frau in ihrer ganzen weiblichen Ur-Kraft!


Und wenn sich zeigt, dass ich doch diejenige bin, mit der sie sich die Schattenarbeit vorstellen kann, bin ich mit weit geöffnetem Herzen für sie da.

 

Ich ehre jede Seele, die im Feuer des Schmerzes stehend bleibt und sich dabei professionell begleiten lässt. Auch wenn häufig von Re-traumatisierung gesprochen wird, vor der viele Menschen, Therapeut*innen wie Betroffene großen Respekt haben, zeigt meine Erfahrung jedoch, dass eine tiefe Auflösung und eine Rückholung der in der Not abgespaltenen Seelenanteile sehr wichtig sind, um ganz zu werden. Die Entscheidung dafür oder dagegen muss jeder Mensch natürlich für sich selbst treffen. Ich respektiere jeden Menschen mit dem, was JETZT gerade ist.

 

DU BIST BEREIT? DANN LASS UNS TIEF HINSCHAUEN UND GEMEINSAM DURCHS FEUER GEHEN!

 

Herzlich

 

Dinah

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Kommentare: 3
  • #1

    Jana Eva Ritzen (Dienstag, 22 Februar 2022 16:21)

    Liebe Dinah-Ann,
    danke Dir für diesen wundervollen Artikel. Wie wertschätzend und anerkennend für den Prozess Deiner Klientinnen Du bist, wo viele andere sich bereits in ihrem eigenen Prozess verheddern, weil sie sich zurückgewiesen fühlen. Alleine so eine Klarheit und Wertschätzung an so einem wichtigen Punkt seines Prozesses durch eine Therapeutin erfahren zu dürfen, ist unbezahlbar. Danke Dir für Dein Wirken. ��

  • #2

    Sabine Kakizaki (Dienstag, 22 Februar 2022 21:51)

    Liebe Dinah-Ann,

    das hast du wunderbar anschaulich und nachvollziehbar beschrieben, was hinter einem „Therapeuten-Hopping“ stecken kann. Deine respektvolle und klare Haltung, die aus Deinen Worten spricht, ist ein Geschenk für Deine Klient*innen,

  • #3

    Alexandra Friedhoff (Mittwoch, 23 Februar 2022 10:35)

    Liebe Dinah-Ann,

    wie toll und wertschätzend Du schreibst! Ich kenne das Therapeutenhopping von mir selber aus früheren Jahren sehr gut. Retrospektiv betrachtet war es genau so - dass ich Angst hatte, tiefer einzusteigen... Der Schlüssel ist das Dranbleiben, das "Nicht-Wegrennen". Das passt auf so viele Lebensbereiche! Danke für Deine wertvolle Arbeit!