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Wie schaffe ich es, mich zu motivieren?

Keine Motivation - was tun?

Häufig sehe ich Klient*innen in meiner Praxis, die über mangelnde Motivation klagen. Sie nehmen sich Dinge für den Tag vor, die sie dann doch nicht umsetzen. Sie möchten mehr Sport machen, tun es aber nicht.

 

Sie schieben Frust in ihrem Job und wissen, dass sie etwas ändern müssten, werden aber immer wieder von etwas sehr Mächtigem zurückgehalten. Ihnen fehlt die Motivation.


"Ich will ja - aber ich kann nicht! Dieser blöde Schweinehund soll weg gehen. Ich hasse ihn. Er nervt mich. Er behindert mich. Ich will meine Motivation zurück!" So kam neulich auch eine Klient*in in meine Praxis. "Ich habe keine Motivation - was soll ich tun? Bitte mach, dass ich wieder machen kann!"

Den inneren Schweinehund kennenlernen

Wenn Klient*innen etwas weg haben wollen, dann interessiere ich mich für genau das am allermeisten. Es lohnt sich nämlich, hinzuschauen, welche Funktion die Demotivation, dieser innere Schweinehund eigentlich hat.

 

Menschen tendieren dazu, innere Anteile abzulehnen. Nämlich genau die, die sie nerven, behindern und runterziehen. Aber es sind Anteile, die dazu gehören, die gesehen und verstanden werden wollen. Denn solange wir uns ihnen nicht liebevoll zuwenden, werden sie sich immer stärker und drängender melden.

 

Der Schweinehund wird also immer mächtiger, je doller wir gegen ihn ankämpfen. Fast gleicht es einem Ringkampf. Und der ist anstrengend. Die Motivation schwindet immer mehr und macht dem Schweinehund und der Erschöpfung Platz. Manchmal fühlen sich Klient*innen sogar regelrecht depressiv. Zumindest sind sie irgendwie ständig müde, ausgelaugt und lustlos.

Motivation - wer bist Du?

Ich arbeite gern gestalttherapeutisch oder systemisch, z. B. unter Verwendung von Matten. Ich lasse die Klient*in zwei Matten aussuchen und im Raum platzieren. Eine für die Motivation und eine für die Demotivation. Sie legt beide Matten recht nah aneinander. Ich frage sie, welcher Anteil hier gerade am stärksten bei mir im Raum ist. Sie geht sofort auf die Matte der Motivation. Sie möchte ja etwas ändern. Sonst wäre sie nicht bei mir.

 

Ich frage sie, ob es sich für sich gut anfühle, dass die Demotivation so dicht an ihr dran liege. Sie verneint dies und pfeffert die Matte der Demotivation in die letzte Ecke des Raumes. "Sie nervt einfach nur. Ich will sie nicht haben. Sie soll mich in Ruhe lassen. Dann kann ich auch wieder mein Leben in den Griff kriegen!!!".

 

Ich lasse die Motivation erzählen, was ihre Funktion im Leben der Klientin ist, wofür sie steht, was ihre Wünsche und Ziele sind. Sie wirkt sehr erwachsen und klar, während sie mir von ihren Plänen, Visionen und Träumen berichtet. Der Demotivation dreht sie dabei demonstrativ den Rücken zu. Nimmt keine Notiz mehr von ihr.

Schweinehund - wer bist Du?

Nun lasse ich die Klientin die Matten wechseln. Sie spürt in die Demotivation hinein. Ich frage sie, ob sie wirklich der böse Schweinehund sei, als den die Motivation sie hinstelle. Sie verneint dies und ist sehr traurig, dass die starke Motivation sie so weit weggeworfen hat und ihr den Rücken zudreht. Sie wirkt depressiv und niedergeschlagen.

 

Ich arbeite eine Weile intensiv mit ihr, bis wir herausgefunden haben, dass dort die 15jährige steht, die dieses Alter in einem einzigen Drogenrausch durchlebt hat und ein sehr rastloses, anstrengendes Leben hatte. Sie wirkt total entmutigt und erschöpft.

Bedürfnisse erkennen

Nach ihren Bedürfnissen gefragt, erklärt sie, dass sie sich einfach nur Ruhe wünsche. Dass sie sich mit ihrer Pubertät auseinandersetzen und chillen wolle. Wie das alle 15jährigen normalerweise machen. Dass sie sich beschäftigen wolle mit ihrer Entwicklung zur erwachsenen Frau. Mit ihrem Körper. Dass sie für das alles Ruhe und Zeit brauche. Sie sei ja die ganze Zeit im Drogenrausch durch diesen wichtigen Entwicklungsschritt im Leben gestolpert.

 

Sie spürt sehr tief hinein in dieses Bedürfnis nach Ruhe, Rückzug und chillen. Sie spürt diese Lust auf und gleichzeitig die Angst vor dem Erwachsenwerden. Sie ist sehr berührt.

Motivation übernimmt Verantwortung

Nun lasse ich die Klientin wieder in die Rolle der Motivation wechseln und frage sie, was ihr Impuls wäre, nachdem sie den vermeintlichen "Schweinehund", die 15jährige, gehört und wahrgenommen habe. Sie möchte sie direkt zu sich heranholen und trösten und sich schützend vor sie stellen. Sie möchte ihr den Rückzug ermöglichen, den sie so dringend für ihre Entwicklung benötigt.

 

Es ist ihr unangenehm, wie stark sie diesen verletzten, inneren Anteil abgelehnt hat, wie sehr sie sich über die "Demotivation" erhoben hat. Sie erkennt, dass es ihren erwachsenen Schutz und ihre Zuwendung benötigt, damit die innere 15jährige heilen uns sich erholen kann. Und dass sie ab jetzt dafür verantwortlich ist, entsprechend viel Raum im Alltag zur Regeneration und für das innere Wachstum zur Verfügung zu stellen.

Den inneren Schweinehund überwinden

Durch das genaue Hinschauen, Benennen und Anerkennen BEIDER widerstreitender innerer Anteile, kann Veränderung geschehen. Sobald die Klient*in versteht, welche Kämpfe in ihrem Inneren gefochten werden, kann ein Loslassen geschehen. Erleichterung kann eintreten. Das System kann sich beruhigen. Neue Wege können beschritten werden, immer in großem Bewusstsein darüber, was gerade gebraucht wird. Von BEIDEN Anteilen.

Dies ist nur eines von vielen Beispielen aus meiner Praxis. Es gibt natürlich unzählige Gründe für mangelnde Motivation oder einen übermächtigen, inneren Schweinehund. Jeder Mensch ist einzigartig und jede Biografie ist einzigartig. Wenn Sie Lust haben, Ihre einzigartige Antwort für sich zu finden, vereinbaren Sie gern ein Erstgespräch hier.

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Kommentare: 1
  • #1

    Christine Blum (Dienstag, 02 März 2021 10:56)

    Mit dem, was ich ablehne und mit dem, was ich möchte, ins Gespräch kommen. Ein wundervoller Ansatz für neue Erkenntnisse und Möglichkeiten!