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Seelischer Schmerz: Würden Sie Ihrem Kind mit einem Hammer auf seine Wunde hauen?

Nehmen wir mal an, Ihr Kind hat sich einen Arm gebrochen. Und Sie gehen hin und drehen ihm den kaputten Arm extra nochmal um. Oder Sie haben sich eine gemeine Schürfwunde am Arm zugezogen und hauen nochmal mit dem Hammer drauf. Die allermeisten von uns würden sofort behaupten, dass sie so etwas nie tun würden. Aber wir tun es alle - nur subtiler. Aber dennoch genau so zerstörerisch. Es geht um seelischen Schmerz.

 

Was hilft bei einer Verletzung?

  • in Watte packen
  • pusten
  • reinigen
  • Pflaster drauf kleben
  • trösten
  • im Arm halten
  • beruhigen
  • Taschentücher, Getränke oder Gummibärchen reichen

 

Warum also hauen wir auf unseren seelischen Schmerz immer wieder beherzt mit einem Holzhammer drauf und wundern uns dann, dass er statt besser immer schlimmer wird?

 

Ich will es konkreter machen. Ein Mensch leidet z. B. unter einer Zwangsneurose. Er ist total eingeschränkt in seinem Leben. Er leidet wie Hölle. Er hat wahrlich seelischen Schmerz. Er will diesen Zustand los werden. Er schubst ihn fort. Er haut drauf und ruft dabei zwar innerlich aber sehr sehr vehement: "Du bist böse - ich will Dich nicht!" Und was macht der Schmerz? Er wird natürlich stärker. Denn wenn man auf eine Wunde drauf haut oder den Arm nochmal extra umdreht, dann tut es doller weh. Der Schmerz wird also so lange immer stärker, je doller man ihn abwehren möchte.

 

Im Umkehrschluss wird Schmerz weniger, je mehr man sich ihm liebevoll zuwendet. Und genau das tue ich in meiner Praxis mit meinen Klienten. Statt die Schattenseiten, die schmerzhaften Seiten abzuwehren, unterstütze ich sie dabei, sich Zeit zu nehmen, sie liebevoll zu betrachten, anzuhören, zu lauschen, was der Schmerz braucht, um zu heilen. Und dann kann der Klient ihm genau das geben. Der Schmerz beruhigt sich. Die Wunde darf langsam abheilen. Wenn man aus Versehen irgendwo gegen stößt, kann es sein, dass der Schmerz wieder stärker wird. Auch das ist vollkommen natürlich. Auch in solch einer Situation hilft liebevolle Zuwendung. Ich habe es heute nicht geschafft, heute aus dem Haus zu gehen, weil ich die Fenster immer wieder kontrollieren muss? "Hey Schmerz, ich sehe Dich - da bist Du wieder. Ich nehme Dich war, ich nehme Dich an und ich nehme mir jetzt Zeit für Dich. Was brauchst Du, um weiter zu heilen. Was hat Dich wieder aufflammen lassen?" Wertfrei. Geduldig. Liebevoll.

 

Und irgendwann darf das Pflaster ab und es bleibt vielleicht noch eine Narbe. Aber das ist ok. Denn unsere Erlebnisse - die schmerzhaften und die schönen - haben uns zu dem Menschen gemacht, der wir sind. Und wie wir alle spätestens jetzt ableiten können: Gegen eine Narbe kämpfen, ist ein ziemlich verrücktes Unterfangen...

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